So, ich spielte durch die erste Episode von TELL ME WHY und dachte mir, dass ich mal meine Meinung dazu kund tue, zumal ich ja, wie bekannt, ein riesengroßer Fan von Life Is Strange und Life Is Strange: Before The Storm war. Auch fand ich, dass DONTNOD in deren zweiten Staffel vollends vergessen hatte, was LiS ursprünglich gut gemacht hat. Die Frage, die ich mir also bereits beim ersten Trailer von TELL ME WHY stellte, war also… würde DONTNOD auch dieses Spiel verkacken? Oder einen Titel produzieren, der es würdig ist neben meiner Life Is Strange-Sammlung zu stehen?
Ich meine… Life Is Strange ist praktisch das einzige, für dass Square Enix noch Geld aus mir pressen kann.
Glücklicherweise scheinen sie ihren GROOVE mit Tell Me Why wieder gefunden zu haben. Zumindest ist Episode 1 von 3, die anscheinend in mehr oder weniger einem Wochentakt für PC und XBOX One released werden sollen, ein gutes Zeichen dafür. Mit nur sehr wenigen… Fehltritten und einigen guten Verbesserungen.
Aber erst einmal ganz grob: Was ist TELL ME WHY? (relativ spoilerfrei, alles hier erwähnte erfährt man in den ersten Minuten des Spiels)

TELL ME WHY ist eine Art… animierter Kinetic Novel, d.h. ein reines Storygame, bei dem man Umgebungen erkundet, gelegentlich mal Rätsel löst aber in erster Linie Gegenstände anschaut und Gespräche führt. Die Geschichte dreht sich dabei um das Zwillingspaar Tyler und Alyson, welche nach Jahren zum alten Haus ihrer Mutter zurückkehren, um dieses zu durchforsten und für den Verkauf fertig zu machen. Tyler saß wegen Selbstverteidigung, welche zum Tod der Mutter führte, für Jahre im Jugendgefängnis und ist ein Transgender FTM-Charakter – also Frau zu Mann. Dies spielt in der Geschichte eine sehr große Rolle, fällt dabei jedoch nur selten in die Richtung von Social Justice Warriors. Tatsächlich reagiert Tyler nur einmal sehr… SJW-mäßig und die Geschichte definiert ihn auch über andere Charakterzüge, Hobbies etc. Sein Geschlechtswunsch ist aber eine Art vermeintlicher Auslöser für die Katastrophe, die zum Tod der Mutter führte. In erster Linie ist es nämlich eine Geschichte vom Tod der verrückten Mutter und eine Aufarbeitung der Dinge, die damals passiert sind… und wie es dazu kam. Das Spiel hat dabei, wie Life Is Strange 1 und 2, eine übernatürliche Komponente. Die Zwillinge haben eine Art telephatische Kommunikation und… sie können durch Emotionen ausgelöst die Vergangenheit visualisieren. Nur komischerweise stimmen ein paar ihrer Erinnerungen nicht überein… etwas, was in Episode 1 jedoch nur am Rand betrachtet wird.

Die erste Episode scheucht uns nur durch eine Hand voll Locations: Ein Intro, das Haus der Familie, ein winziger Supermarkt und schließlich eine Polizeiwache. Außerhalb von erneut findbaren Dingen (in diesem Fall kleinen Figuren) konzentriert sich das Spiel dabei komplett auf die Geschichte. Jedes anredbare Objekt offenbart Kleinigkeiten aus dem Leben der beiden Zwillinge und den Problemen, mit denen vor allem Tyler zu kämpfen hatte. Und ja, Entscheidungen sollen sich auch dieses Mal auswirken, fühlen sich bis jetzt aber weniger definiert an. Zudem gab es deutlich weniger Entscheidungen an sich. Spielerisch geht TELL ME WHY dennoch einen Schritt weiter und implementiert dieses Mal ECHTE Puzzle. Eines davon, ein Tür-Rätsel, ist absolut Pflicht, ein anderes auf der Polizeiwache total optional. Diese Rätsel brauchen tatsächlich Köpfchen und sind gern gesehen. Zudem muss man dieses Mal wirklich aufpassen, da man bei Befragungen mit Charakteren den richtigen Fakt, den man in Dokumenten gelesen oder Gesprächen gehört hat, herausfinden muss. Das Gameplay ist also weiterhin simpel im spielerischen, verlangt aber zumindest rätselmäßig etwas mehr als die Suche nach dem nächsten Hotkey – oder der nächsten Flasche. Ein dicker Pluspunkt und ein Schritt in die richtige Richtung an dieser Stelle also.

Auch die Charaktere selbst sind wesentlich realistischer und besser gelungen, als es in Life Is Strange 2 noch der Fall war. Das liegt in erster Linie GENAU AN DEM PROBLEM, VON DEM ICH STETS SPRACH! Tell Me Why kehrt, zu seinen Gunsten, wieder in eine einzelne kleine Stadt zurück, in der sich Charaktere bereits von früher kennen. Sie wirken also nicht… wie die Filler in Life Is Strange 2, die oft nur aus einem „Hallo, ich bin X. Jetzt sag ich dir was für die Episode! Und dann verschwinde ich für immer aus dem Spiel!“ bestanden. Das Spiel kann in späteren Episoden in dieses Schema noch abfallen, aber in Episode 1 haben alle getroffenen Charaktere Verbindungen zur Mutter und den Zwillingen und ihre eigenen Hintergründe. Selbst die nur sprachlich erwähnten Polizisten in der Polizeiwache bekommen kleine Fakten hinzugefügt. Das führt zumindest in dieser ersten Episode dazu, dass sich keine der Konversationen oder ganzen Charakteren wie Filler anfühlen und ich hoffe sehr, dass dies in Zukunft auch so bleibt. Auch bereits veröffentlichte Screenshots späterer Episoden lassen darauf hoffen, da ein paar der Charaktere aus Episode 1 in ihnen zu sehen sind!

Auch grafisch sieht das Spiel auf meiner Xbox One X absolut fantastisch aus, mit nur ein paar kleineren Grafikfehlern und einer überraschend vor einem Baum schwebenden Textur. Das Wintersetting mag nicht so beeindruckend aussehen, wie in manchem AAA-Titel, aber der Style des Spiels ist sauber (auch durch das Downsampling der X auf meinen 1080p-Screen) und die Natur in diesem Spiel wirklich schön.

Allerdings ist nicht alles perfekt in diesem neuen Titel. Die Geschichte an sich ist ja spannend, vor allem am Ende, wenn das Spiel DONTNOD-TYPISCH eine mystische Komponente andeutet (die hoffentlich dieses Mal auch wirklich eine ist!) und dadurch an Fahrt aufnimmt. Sie ist allerdings auch etwas… typisch. Vorhersehbar. Der Endtwist wird einige nicht unbedingt überraschen. Ich würde sogar so weit gehen und behaupten, dass man ihn ERWARTEN kann. Außerdem halte ich die Fähigkeit der Telepathie-Kommunikation der Zwillinge als zu… abgehandelt. Anscheinend konnten die beiden das schon als Kinder, aber als es nach 10 Jahren getrennt lebend zum ersten Mal wieder auftaucht handeln die beiden das mit nur zwei Sätzen ab, bevor es weiter geht. Das geht quasi: „Oh, du siehst die Erinnerung und hörst meine Gedanken? Letzteres konnten wir früher schon.“ Und das war es auch schon. Dieser Punkt hätte besser ausgearbeitet gehört. Zumindest der Fakt, dass sie Erinnerungen SEHEN KONNTEN und diese sich teilweise leicht von der Erinnerungen des anderen unterschieden hätte einen normalen Menschen vermutlich etwas mehr zugesetzt als… gar nicht. O___O

Abgesehen davon ist TELL ME WHYs erste Episode vollkommen in Ordnung. Ich bleibe nur momentan weiter vorsichtig, da auch Life Is Strange 2s erste Episode stark begann, bevor die Geschichte in ein andauernd wiederholendes Schema F abrutschte, bei dem sich nur die Charaktere pro Episode verändert haben. Mit nur DREI Folgen insgesamt hoffe ich hier aber auf ein mehr kompakteres und daher weniger wiederholendes Abenteuer, ala BEFORE THE STORM. Episode 1 bleibt damit ein vorsichtiges „Lohnt sich zu kaufen.“
Meine finalen Gedanken zum Spiel gibt es natürlich auch nach dem Release der letzten Folge.
